Wegfall des Parlaments
Zum Wettstreit der Meinungen taugt das Parlament nicht, zur Wahl der Regierung ist es nicht nötig. In der öffentlichen Wahrnehmung wählen wir bei Bundestags- und Landtagswahlen schon längst kein Parlament mehr, sondern eine Regierung. Die mandative Demokratie sieht deshalb konsequenterweise die Direktwahl der Regierung vor.
Zur Gesetzgebung brauchen wir das Parlament ebenfalls nicht. Gesetze werden nach dem neuen Modell von der Regierung erlassen und zwar in dem Rahmen des Regierungsprogramms, das mit zur Wahl gestanden hat. Die von der Mehrheit gewählte Regierungsmannschaft beschließt genau das Gesetz, das sie für richtig hält. Nichts wird zerredet. Pressionen der Lobby sind weniger zu befürchten, da Abgeordnete nicht eingespannt werden können. Die Verantwortlichkeit ist klar ersichtlich. In der nächsten Wahl entscheiden die Bürger, ob sie das Ergebnis billigen oder ob sie Alternativen vorziehen.
Die Gesetzgebung unterliegt auch weiterhin der Kontrolle durch den Bundespräsidenten, der Gesetze nur dann ausfertigt, wenn er sie für verfassungsgemäß hält. Erhalten bleibt auch die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.
Die Kontrolle der Regierung ist nach wie vor gewährleistet. Die Opposition erhält verbriefte Rechte, den Bürgern stehen direktdemokratische Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, auch der Bundespräsidenten hat erweiterte Kompetenzen und nicht zuletzt sind entpolitisierte, unabhängige öffentlich-rechtliche Medien wirksame Kontrollinstanzen.
Bundestagsabgeordnete würden gegen den Wegfall des Parlaments einwenden, daß sie eine wichtige Funktion in den Wahlkreisen erfüllten. Sie seien die Mittler zwischen Bürgern und Gesetzgeber und würden für Information, Transformation und Integration sorgen. All das entfiele jedoch in der mandativen Demokratie nicht. Die Parteien sollen ja keinesfalls abgeschafft werden, sondern nur ihre Monopolstellung verlieren. Wer als Mitglied einer Partei, einer NGO oder sonstigen Gruppierung politisch aktiv sein möchte, kann dies auch unter den Bedingungen der mandativen Demokratie tun, er hat allerdings nicht den Amtsbonus eines MdB. Aber den haben zahllose sonstige Parteimitglieder, die sich aktiv engagieren, auch nicht.
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Am 17. April 2012 um 15:32 Uhr
Die Misere unseres Politikbetriebes ist schon oft beschrieben worden. Es fehlte bisher aber an überzeugenden Lösungsalternativen. Die „mandative Demokratie“ könnte ein Ausweg sein. Ich fürchte, unser Staat wird über kurz oder lang von unseren Politikern gegen die Wand gefahren. Dann werden auch die Letzten aufwachen und nach einer Lösung suchen.
Können wir aber wirklich komplett auf ein Parlament verzichten? Wird dann nicht die Regierung zu stark? Und ganz ohne Repräsentation geht es auch nicht. Auch für eine Volksabstimmung braucht man Initiatoren, also doch wieder Parteien.
Am 17. April 2012 um 16:15 Uhr
Wir können durchaus auf das Parlament verzichten. Die jüngsten Bestrebungen der Fraktionsspitzen, das Rederecht potentieller Abweichler einzuschränken, zeigen, wie man selbst den Wert des Parlaments einschätzt. Eine wirksame Kontrolle findet dort nicht mehr statt. Die einzigen wirklichen Garanten sind eine freie Presse und das Internet.
Die Gefahr einer zu starken Regierung wird vor allem ausgeräumt durch einen mit mehr Rechten ausgestatteten direkt gewählten Bundespräsidenten und durch die Möglichkeit von Volksabstimmungen.
Parteien soll es nach dem Modell der mandativen Demokratie natürlich weiterhin geben. Sie können auch Initiatoren für Volksentscheide sein. Nur die gegenwärtige monopolartige Stellung der Parteien ist von Übel!
Am 3. Mai 2012 um 17:39 Uhr
Der Vorschlag ist genial wie radikal. Ein Verzicht sollte in jedem Fall angestrebt werden. Denn er spart Kosten. Mir würde zunächst auch eine Halbierung der Parlamente genügen. Das spart auch Steuergelder und berücksicht das Bedürfnis nach regionaler Vertretung („unser Mann in Berlin“)!
Am 3. Mai 2012 um 21:33 Uhr
Die eingesparten direkten Kosten sehe ich nicht als das Wichtigste an. Der Bundestag ist eine nutzlose Veranstaltung, die nur der Selbstbeschäftigung der politischen Klasse dient. Kein Bürger würde etwas vermissen, wenn es den Bundestag nicht mehr gäbe. Gewonnen würde mit einer Abschaffung aber mehr Effizienz und eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeit.
Am 25. September 2013 um 03:20 Uhr
Ich bin einigermaßen baff angesichts Ihrer Naivität! Sich irgendwelche neuen Staatsformen als Utopie herbei zu fantasieren, mag ja ein nettes Hobby sein. Ich gebe zu, nicht das ganze Buch, sondern nur die extrahierten Thesen auf der Startseite und die Erläuterungen auf diesen Diskussionsseiten hier gelesen zu haben.
Zum einen halte ich Ihre Thesen u.a. für gelinde gesagt äußerst unausgereift. …. Was ich daran alles bereits in der Theorie (von der Praxis gar nicht erst zu reden) für problematisch bis höchst gefährlich halte, will ich gar nicht im Detail aufdröseln – sorry, dazu ist mir doch die Zeit zu schade.
(Text unter Weglassung aller Verbalinjurien und der Bezugnahmen auf die AfD, die mit diesem Buch nichts zu tun hat)
Am 30. September 2013 um 13:37 Uhr
Sehr geehrter Herr Lenz,
ich habe gezögert, ob ich überhaupt auf Ihre Zuschrift antworten soll, denn Sie sagen selbst, daß Sie das Buch gar nicht gelesen haben, über das Sie urteilen. Wichtig ist mir aber doch ein Aspekt, der mich zur Antwort veranlaßt: Ihre Einstellung ist typisch für den bedauernswerten Zustand unserer politischen Streitkultur in Deutschland. Alles, was nicht dem Mainstream entspricht, wird mundtot gemacht.
Der sicher auch aus Ihrer Sicht unverdächtige Demokrat Ralf Dahrendorf hat einmal gesagt: Die parlamentarische Demokratie ist tot. Viele andere haben sich ähnlich geäußert. Was liegt dann näher, als sich um eine Alternative Gedanken zu machen? Ich habe ein radikal-demokratisches Modell entworfen, das ich aus gutem Grund als Utopie bezeichnet habe. Das literarische Konstrukt einer Utopie hat den Sinn, den Blick auf die Realitäten zu schärfen und Denkanstöße zu geben. Nicht mehr und nicht weniger wollte ich erreichen.
Hermann Behrendt
Am 21. Oktober 2013 um 22:27 Uhr
Am 17. 0ktober 2013 hatte ich die zweifelhafte Ehre, in dem ARD-Magazin „Monitor“ zitiert zu werden. Natürlich ging es um die Alternative für Deutschland und deren angeblich rechtslastige und demokratiefeindliche Tendenzen. Die mandative Demokratie mußte u.a. als Beleg für diese These herhalten.
Offensichtlich hatten die Journalisten von „Monitor“ das Buch gar nicht gelesen. Sonst hätten sie erfahren, daß ich ein radikal-demokratisches Modell entwickelt habe, um die Demokratie neu zu beleben – also gerade das Gegenteil von Demokratiefeindlichkeit im Sinn hatte. Weil dieses Modell zugegebenermaßen radikal ausgefallen ist, habe ich es mit Bedacht als Utopie bezeichnet.
Die Leute von „Monitor“ mißbrauchen ihre Privilegien als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, um ihre Vorurteile gegen mißliebige politische Gegner zu verbreiten. Doch was soll´s – die Demokratie muß auch solche Leute verkraften können und wird daran nicht zugrunde gehen.
Am 1. April 2014 um 21:10 Uhr
Wie schön, dass in unserem freien Land auch solche Meinungen veröffentlicht werden dürfen, wie Sie sie vertreten, lieber Herr Behrendt, und man schlimmstenfalls riskiert, von den Journalisten eines politischen Journals als „demokratiefeindlich“ gescholten zu werden.
Ich habe gerade einmal in Ihr Buch hineingelesen und kann nur hoffen, dass eine Partei, die Personen in Führungspositionen wählt, die Ansichten vertreten, wie Sie dies tun, nie Regierungsverantwortung kommt. Denn leider glaube auch ich, dass unsere Demokratie gefährdet wäre, wenn Ihre Vorschläge realisiert würden.
Insbesondere Ihren Vorschlag, die Parlamente abzuschaffen, halte ich für ebenso weltfremd wie absonderlich. Wie Sie selbst schreiben, summieren sich die Gesetzestexte, die der Bundestag jährlich verabschiedet, auf Tausende Seiten. Selbstverständlich können die Abgeordneten die nicht alle selbst lesen, deshalb sucht sich jeder Abgeordneter ja ein Fachgebiet – um so rätselhafter finde Ihren Vorschlag, diese Gesetzesarbeit nun der Regierung allein aufzubürden. Das würde darin enden, dass die Regierung Gesetzestexte durchwinkt, die sie gar nicht gelesen hat, und bloß den Beamten in den Ministerien vertraut. Wo bleibt da denn bitte die politische Kontrolle?
Sie plädieren außerdem dafür, dass die Gesetze dem Volke möglichst gleich zu Beginn der Regierungsperiode zur Abstimmung vorgelegt werden, denn Wahlprogramme (das der AfD ist übrigens besonders schmal) genügen Ihnen ja nicht. Wahnsinn: Da sollen die Wähler also alle vier Jahre Hektakomben an verschiedenen Entwürfen für Gesetzestexte lesen (man muss ja vergleichen können…) und sich darüber auch noch ein Urteil bilden, wie die Detailregelungen zur Altervorsorge, zur Abfallwirtschaft, zur Energiepolitik etc. pp. aussehen sollen? Sie verstehen vielleicht jetzt, worin der Vorzug der repräsentativen Demokratie liegt? (Gleiches gilt auch für Volksabstimmungen: So häufig, wie es nötig wäre, wollen auch Sie nicht zu den Urnen gerufen werden)
Bliebe als Alternative, weniger Gesetze und Verordnungen zu beschließen – ist es das, was Ihnen vorschwebt? Gewiss gibt es viele Regelungen, die überflüssig sind (Martin Schulz hat in seinem Buch über die EU übrigens als Beispiel den schönen Fall erwähnt, wie das EU-Parlament einmal eine recht knappe Abwasserrichtlinie erlassen hat, die dann vom Bundestag, Landtag und Kreistag dann um eigene Ausführungsbestimmungen ergänzt und somit extrem angeschwollen ist – wobei aber dann wieder allein die EU für ihre „Regelungswut“ gescholten wurde). Aber selbst wenn alle Gesetze radikal um die Hälfte reduziert würden, wären es immer noch mehr, als ein Mensch jemals wird lesen, geschweige denn verstehen können. Wir leben nun nicht mehr in der altgriechischen Polis und nicht in einer Schwurgemeinde, es gibt ein paar Dinge, die auch Sie geregelt haben wollen, wenn unser gegenwärtiger Wohlstand bestehen bleiben soll.
Sehr lustig übrigens, dass Sie ausgerechnet Arnulf Baring als Zeuge gegen das Talkshow-Geschwätz anführen – der Mann gehört doch zu denen, die am häufigsten dort auftreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Am 2. April 2014 um 15:04 Uhr
Sehr geehrter Herr Hoppe,
gleich zu Anfang eine Klarstellung. Meine Überlegungen zur mandativen Demokratie haben nichts mit meinem Engagement bei der Alternative für Deutschland zu tun. Ich äußere hier meine private Meinung. Das Parteiprogramm der AfD unterstütze ich vorbehaltlos.
Ralf Dahrendorf, der sicher ein unverdächtiger Demokrat war, hat lapidar festgestellt: Die parlamentarische Demokratie ist tot! Was liegt dann näher, sich über Alternativen Gedanken zu machen? Ich hätte eher erwartet, dass meine Vorschläge als zu radikal-demokratisch kritisiert werden. Undemokratisch sind sie gewiss nicht
Nun zu Ihrer Kritik: Leider haben Sie nach eigenen Worten „gerade einmal in das Buch hineingelesen“. Bei eingehender Lektüre werden Sie feststellen, dass Ihre Vorbehalte gegenstandslos sind. Ich möchte vor einer Wahl wissen, was die Regierungsmannschaft, die ich wählen soll, sich als Regierungsprogramm vornimmt. Nicht mehr und nicht weniger. Es geht also nicht um Gesetzestexte und um Details, sondern um Grundsätze. Dazu gehört z.B. die Bejahung oder Ablehnung eines Mindestlohnes oder der Rente mit 67. Die CDU ist u.a. mit diesem Programm Wahlsieger geworden, die SPD war klarer Verlierer. Nach den Koalitionsvereinbarungen haben wir den Mindestlohn und die abschlagsfreie Rente mit 63. Die CDU hat ihre Wähler verraten um des Machterhalts willen. Nach unserem Politiksystem ging es nicht anders.
Die Gesetzesabfassung liegt schon jetzt bei den Ministerien. Es ist eine Illusion zu glauben, dass durch die Beratung im Parlament eine Kontrolle stattfinden würde. Die Regierungsfraktionen sehen ihre Aufgabe darin, die Gesetze durchzubringen. Die Opposition kritisiert sie. Beide nutzen dafür die Medien. Die Debatten sind Show oder besser: an die Öffentlichkeit gerichtet und nicht an die Parlamentarier von der anderen Partei. Die Kontrolle der Regierung sehe ich längst nicht mehr im Parlament, sondern bei den Medien und der Justiz (Bundesverfassungsgericht).
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Behrendt
Am 14. Februar 2016 um 14:10 Uhr
Gesetze durch diee Regierung beschließen?
Es würde sich mehr bewegen, sprich hin und her.
Natürlich wären weniger an den Beschlüssen beteiligt, mit allen Vor- und Nachteilen.
Sollten wir nicht lieber gleich Karussell fahren?
Vielleicht wäre das sicherer..
AndreasBN